KREATIONISTISCHE SCHÖPFUNGSLEHRE: EINE ERNST ZU NEHMENDE ALTERNATIVE ZUR EVOLUTIONSTHEORIE? EINE WISSENSCHAFTSTHEORETISCHE BETRACHTUNG

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RUDOLF KÖTTER

Abstract

Mit „Kreationismus” bezeichnet man eine christlich-fundamentalistischeStrömung, die vor etwa 80 Jahren ihren Ursprung in den USA hatte und dort eine bis heutestetig wachsende Anhängerschaft gefunden hat. In konsequenter Verfolgung ihrer Auffassungvon Bibeltreue wollen diese Kreise den Schöpfungsbericht der Bibel wörtlich verstanden wissenund versuchen ihn, als eine ernst zu nehmende Alternative zu einer naturwissenschaftlichenEvolutionstheorie und Kosmologie zu etablieren. Auf der einen Seite versuchen sie, dieEvolutionstheorie (und mit ihr Kosmologie und historische Geologie) wissenschaftlichfragwürdig erscheinen zu lassen, indem sie deren offene Probleme und ungelöste Fragen alsgrundsätzliche theoretische Defizite darstellen; auf der anderen Seite wollen sie die biblischeSchöpfungsgeschichte durch wissenschaftliche Belege und Argumentationen absichern. Auf dieseWeise soll die Evolutionstheorie zur „Evolutionslehre” abgewertet und der Schöpfungsmythos zur„Schöpfungslehre” aufgewertet werden. In den Augen der Kreationisten ist es dann ein Gebot derFairness, dass dort, wo im Biologieunterricht die „Evolutionslehre” behandelt wird, in gleichemUmfang auch auf die christliche Schöpfungslehre eingegangen wird. Im Aufsatz wird gezeigt,dass die Kreationisten in ihrer Kritik an der Evolutionstheorie von einem extrem vereinfachtenBild einer naturwissenschaftlichen Theorie ausgehen, dass den tatsächlichen Verhältnissen inPhysik, Chemie oder Biologie nicht gerecht wird und bei dem insbesondere der Unterschied zwischen der Begründung eines naturwissenschaftlichen Gesetzes und seiner Anwendungverschwindet. Im Gegensatz zur Evolutionstheorie besitzt die Schöpfungslehre kreationistischerArt kein wissenschaftliches Forschungsprogramm, da der Schöpfungsbericht eine Darstellungdes historischen Ablaufs ist, den sie einer wissenschaftlichen Kritik gar nicht aussetzen können,da dies letzten Endes Blasphemie bedeuten würde. Die Ablehnung des Aktualitätsprinzipsimpliziert genau genommen die Ablehnung jedes wissenschaftlichen Forschungsprogramms zurAufklärung naturhistorischer Zusammenhänge. Von „Creation Science“ zu sprechen ist also einbloßer rhetorischer Trick.

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How to Cite
KÖTTER, R. (2013). KREATIONISTISCHE SCHÖPFUNGSLEHRE: EINE ERNST ZU NEHMENDE ALTERNATIVE ZUR EVOLUTIONSTHEORIE? EINE WISSENSCHAFTSTHEORETISCHE BETRACHTUNG. Arhe, 9(18), 1–25. https://doi.org/10.19090/arhe.2012.18.1-25
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